
Der Ostwind setzt Schleimünde zu
Von wegen „brave Schwester“ der Nordsee! Bei kräftigem Nordost gibt sich auch die Ostsee wild und gefährlich und entlädt ihre ganze Kraft am Strand der Lotseninsel in einer machtvollen Brandung. Und die erweist sich mit Blick auf Sandstrand und Bauwerke als ziemlich wirkungsvoll. „Der Sand ist weg!“, hieß es schon nach dem letzten Winter und: „Die Schutzmauer wird mehr und mehr unterspült!“ Keine Frage, hier muss dringend gehandelt werden.
Extreme Sturmfluten treten an der Ostseeküste eher selten auf. Erst wenn tagelanger Sturm aus westlichen Richtungen große Mengen Nordseewasser in die Ostsee drückt, steigt der Wasserstand der Ostsee an. Durch den lang anhaltenden Wind können zudem besonders große Wellenhöhen entstehen. Schlägt der Wind dann auf östliche Richtungen um, schwappt das angestaute Wasser wie in einer Badewanne zurück, und viel zu langsam kann es durch die Belte und Sunde wieder zur Nordsee abfließen. So mancher Küstenort meldet dann „Land unter!“ – auch Schleimünde. Bis heute gilt der höchste bekannte Wasserstand vom 13. November 1872 als Maßstab. Am Lotsenhaus nahe der Eingangstür findet sich eine Plakette, die dieses außergewöhnliche Ereignis dokumentiert. Alle seither folgenden Sturmfluten lagen mindestens einen Meter unter dieser Marke. Doch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten ähnlich hoher Fluten steigt.
Problematisch sind diese hohen Wasserstände an der Ostseeküste vor allem wegen ihrer Ausdauer. An der Nordsee kann die auflaufende Tide eine Sturmflut verschärfen – die einsetzende Ebbe aber auch vorhersehbar entspannen. In der Ostsee dagegen spielt der Tidenhub kaum eine Rolle und ein Hochwasser hier hält seinen Stand wegen der ozeanografischen Besonderheiten in der Regel deutlich länger. Der Energieeintrag auf die Küste, und auch das Schadenspotential, ist dadurch ähnlich hoch wie an der Nordsee.
Auf Oehe-Schleimünde und der Lotseninsel kann man deutlich erkennen mit welcher Kraft die Wellen an den Strand schlagen, denn die Küstenlinie zieht sich immer weiter zurück. Wo vor wenigen Jahrzehnten noch ausgedehnte Sandflächen waren, prägen heute grober Kies und Steine das Bild, der leichte Sand ist abgetragen. Eigentlich lieferten die Steilküsten im Süden und Norden das Material für die flachen Strandwälle der Schleimündung doch offensichtlich kommt inzwischen kaum noch etwas davon in Schleimünde an. Eine Ursache dafür können die weit ins Meer hinaus reichenden Molen von Olpenitz und der Schleimündung selbst sein, die die Strömung von der Küste weg führen und die Ablagerung neuer Sedimente verhindern.
Die Lotseninsel ist durch Sandvorspülung und Steinmolen in den letzten beiden Jahren noch einmal ein Stück sicherer geworden. Auch die Schutzmauer wurde aufwändig saniert und erhielt vor ihrem seeseitigen Fundament einen kräftigen Wellenbrecher aus Eichenbohlen und Granit. Doch nur einen Steinwurf von hier, auf halbem Weg zwischen Lotsenhaus und Pappelwäldchen, stellt sich dem Hochwasser kaum noch etwas entgegen und gelegentlich überspülen die Wellen schon den alten Strandwall, der an dieser Stelle gerade noch einmal fünfzig Meter breit ist. Entsteht hier allmählich eine neue Verbindung zur Schlei, wird die Lotseninsel wieder zu dem, was sie tatsächlich einmal war – eine Insel.


